7. Albert Savarus (1842)

Szenen aus dem Privatleben

Oreste Cortazzo - Honoré de Balzac
, Albert Savarus. Philadelphia:
George Barrie & Son, 1897
Rosalie de Watteville ist die einzige Tochter der bedeutenden gräflichen Familie Watteville in Besançon. Der Vater lebt sehr zurückgezogen und verbringt die meiste Zeit in seiner Drechslerwerkstatt. Die Mutter ist dagegen stolz und dominant und zieht die Tochter religiös in völliger Weltfremdheit auf. Sie versucht Rosalie für den Grafen de Soulas, einen jungen Gecken und Schönling, zu begeistern. Bei einem Abendessen im September 1834 berichtet der Abbé de Grancey von einem großartigen Erfolg des Anwalts Albert Savaron, den dieser zugunsten der Kirche errungen hat. Savaron hat sich ohne viel Worte in der Stadt niedergelassen. Rosalie fängt an, sich für den Anwalt, den offensichtlich ein Geheimnis umgibt, zu interessieren. Sie bringt ihren Vater dazu, im Garten eine Grotte mit Aussichtspavillon zu bauen, von wo aus sie Savaron auf seinem angrenzenden Grundstück heimlich beobachten kann. Savaron ist in mehrfacher Hinsicht ein erfolgreicher Anwalt. Mit Hilfe des Geldes von Geschäftsleuten gibt er auch ein örtliches Literaturjournal heraus, um die Stadt kulturell bekannt zu machen. Rosalie überredet ihren Vater diese Zeitschrift zu abonnieren und liest darin eine von Savaron selbst verfasste Novelle mit dem Titel: „Der Ehrgeizige aus Liebe“.     
Die Novelle in der Geschichte beginnt damit, dass der junge, angehende Anwalt Rudolphe und sein Freund, der Notar Léopold 1823 zusammen durch die Schweiz reisen. Von einem Boot aus im Vierwaldstätter See wird Rudolfe von einer Frau in seinen Bann geschlagen, die sich aus dem Fenster eines am Ufer stehenden Hauses hinauslehnt. In Rudolfe erwacht seine Sensibilität und er entscheidet sich sofort im nächsten Dorf halten zu machen und Erkundigungen einzuziehen. Ihm wird erzählt, dass es sich um ein junges englischen Mädchen handelt, das mit seinem Großvater, der aus Gesundheitsgründen hier verweilt, und einer stummen jungen Dienerin in dem Haus Quartier bezogen hat. Rudolfe versucht eine Einladung zu erhalten. Er schleicht sich heimlich in den Garten und belauscht ein Gespräch der beiden Mädchen auf Italienisch. Es stellt sich heraus, dass beide italienische Flüchtlinge sind, die sich in der Schweiz verstecken. Das Mädchen Francesca ist mit dem alten Mann verheiratet. Er befreundet sich im folgenden mit den beiden und verliebt sich unsterblich in das Mädchen. Seine Liebe wird erwidert und die beiden kommen überein, den Tod des alten Mannes abzuwarten, um dann zu heiraten. Plötzlich eintreffende Neuigkeiten aus Italien heben ihr Exil auf. Sie reisen nach Genf, wo Rudolfe sie später treffen soll. Als er dort eintrifft, stellt sich heraus, dass es sich bei Francesca und ihrem Mann um Fürstin und Fürst Gandolphini handelt. Rudolfe wird in ihr Haus eingeladen. Er beschließt, in der Welt Karriere zu machen, um ihrer noblen Herkunft etwas gleichwertiges entgegen zu setzen. Bevor er abreist schwören sich Francesca und Rudolfe ihre unsterbliche Liebe.

Als Rosalie fertig gelesen hat, vermutet sie in dieser Novelle Savaron‘s eigene, wenn auch leicht verfremdete Geschichte. Sie wird eifersüchtig. Über ihre Dienerin Mariette, die ein Techtelmechtel mit Savaron‘s Diener Jérome eingegangen ist, verschafft sie sich berechnend Zugang zu Savaron’s Briefwechsel, den er seit elf Jahre unterhält und der ihr u.a. durch Briefe an die Prinzessin Francesca Soderini, Herzogin von Argaiolo die Geschichte bestätigt. Savaron macht mittlerweile Karriere und erwirbt sich in der Stadt einen Namen. Er entwickelt Ehrgeiz und lässt sich für die nationalen Wahlen zur Vertreterversammlung aufstellen. Notwendige Stimmen werden durch Gefälligkeiten und politische Winkelzüge erkauft. Hierin eingebettet ist ein Gerichtsverfahren um Ländereien von M. de Watteville. Rosalie überredet ihren Vater, die Hilfe von Savaron hierzu in Anspruch zu nehmen. Aber auch dieses Unterfangen Rosalies, den angebeteten Advokaten näher kennen zu lernen, schlägt fehl. Savaron lehnt ab, um seine Wahl nicht zu gefährden. Diese Ablehnung stachelt Rosalies Rachegelüste an und sie fängt an, durch eigene Intrigen die Wahl Savarons zu hintertreiben, um ihn weiterhin in der Stadt zu halten. Überraschend kurz vor der Wahl verschwindet Savaron spurlos. Nachfolgend drängt die Mutter Rosalie den Grafen de Soulas zu heiraten, was diese aber vehement ablehnt. Es kommt zum Bruch zwischen Mutter und Tochter. Der plötzliche Tod des Vaters lässt Rosalie in schwierigen Umständen zurück. Als Reaktion auf den Hohn ihrer Tochter heiratet die Mutter selbst M. de Soulas.               

Rosalie sucht daraufhin die Hilfe des Abbés, um Savaron zu finden. Sie gesteht dem Abbé das fürchterliche Geheimnis, dass sie nicht nur Briefe an Savaron abgefangen hat, sondern auch Briefe an die Prinzessin zurückgehalten (u.a. die vom Tod ihres Ehemanns, des Herzogs von Argaiolo) und durch eigene ersetzt hat, in denen sie die Heirat von Savaron mit ihr berichtete und seine Verbindung mit der Prinzessin aufkündigte. So findet das plötzliche Verschwinden von Savaron 1835 seine Erklärung. Durch das Fehlen von Briefen und der berichteten Heirat hat Francesca Soderini auf Treulosigkeit bei Savaron geschlossen. So ist sie kurz nach dem Tod des alten Herzogs eine neue Verbindung mit dem Herzog Alphonse de Rhétoré eingegangen. Savaron, der mehrere Monate verzweifelt versucht sie aufzuspüren, zieht sich geschlagen in ein Kloster in Grenoble von der Außenwelt zurück. Die Verursacherin dieses Dramas, Rosalie, ist weiter uneinsichtig und hat sich in den Kopf gesetzt, ihren immer noch Geliebten Savarus zu rächen, indem sie ihre Rivalin martert. Rosalie trifft die neue Herzogin 1838 auf zwei Wohltätigkeitsbällen, um die Herzogin von Rhétoré in ewige Gewissensqualen zu stürzen. Sie berichtet ihr genüsslich von ihren Taten und übergibt der bestürzten Herzogin alle Briefe. Rosalie lebt weiter auf den geerbten Gütern ihres Vaters Les Rouxey. Einer Vorsehung des Abbés entsprechend wird Rosalie im Jahre 1841 für ihre moralischen Verfehlungen durch eine Kesselexplosion auf einem Dampfschiff auf der Loire in Gesicht, Armen und Beinen verstümmelt und muss sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen.                

Ein kurzes Werk über die Verletzlichkeit der aufopfernden Liebe, den Ehrgeiz und die Eifersucht. In die romantische Liebesbeziehung zwischen Savaron und Francesca Soderini hat Balzac seine eigene Beziehung zu Madame de Hanska eingebracht, die er kurz vor seinem Tod heiratete.

Zitate

„Man kann stets Zwietracht zwischen die Interessen säen, aber die Überzeugungen trennt man nicht.“

„Bewunderung lähmte alles Nachdenken.“

„Das Nachdenken tötet das Wort, wenn das Wort nicht über das Nachdenken triumphiert hat.“

(124 Seiten)

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